Dienstag, 28. Dezember 2010

Das Ende der Reise?


War es Einfallslosigkeit oder Heimweh? Wir fahren vorbei an London, Glückstadt, Erlangen und Warschau und plötzlich scheint Europa wieder ganz nah zu sein. Was eigentlich mehrere tausend Kilometer weit entfernt sein sollte, liegt nun direkt vor uns. Die Welt wird greifbar. Nicht nur, weil die Namen der Orte so vertraut klingen, sondern weil die Größe des Landes zwischen Reifengummi und Teer zusammengemahlen wird. 22 Stunden Fahrtzeit und ein halber Kontinent ist durchquert.
In Mississippi ist es warm, T-Shirt-Wetter, Ohio hingegen ist eine andere Welt. Fast 1000 Meilen trennen unseren Staat an der Golfküste vom riesigen Lake Erie im Norden der USA. Ohio ist kalt. Frost ist in diesen späten Novembertagen  zu einem ständigen Begleiter für die Yankees in den Nordstaaten geworden. Vor etwa 200 Meilen kurz vor Sonnenuntergang, als die Sonne uns fern am Horizont im Westen verabschiedete, sind wir in Kentucky über einen jener Spanngurte gefahren, den Lastwagenfahrer zum Sichern ihrer Ladung verwenden. Der Spanngurt wickelte sich um unsere Achse und für einige Meilen, bis wir das Problem erkannt hatten und gefahrlos anhalten konnten, begleitete uns nun ein hörbares Klacken mit jeder Umdrehung des rechten Hinterrades.
Nachdem das Problem behoben war und keine sichtbaren Schäden an Fahrzeug und Reifen vorhanden waren, setzten wir unsere Reise fort. 200 Meilen später in der Nähe von Cincinnati, Ohio kehrte das unheilvolle Geräusch zurück, nur um sich wenige Augenblicke später schon wieder zu verabschieden. Das Geräusch war weg, doch das Auto vibrierte nun merklich, sodass ich auf die rechte Fahrspur wechselte und die Geschwindigkeit reduzierte.
Plötzlich zog unser fahrbarer Untersatz mit aller Macht nach rechts. Man konnte förmlich spüren, wie das Rad sich vom Reifengummi verabschiedete und die Felge zur neuen Auflagefläche machte. Innerhalb weniger Sekunden und ohne weitere Komplikationen kamen wir zum Stillstand, aber unsere Reise wurde, in Ermangelung eines brauchbaren Ersatzrades, jäh beendet.
Stillstand. 3 Stunden vor dem eigentlich Ziel in der Nähe von Cleveland, Ohio und doch schon fast einen Tag auf der Straße. Jetzt sitzen wir hier irgendwo im Nirgendwo. Amelia, Kevin und ich.  Der Motor läuft ruhig und wir haben genug Benzin um uns für Stunden warm zu halten. Kevin hat seinen Vater verständigt, der sich umgehend mit einem Ersatzreifen bewaffnet auf den Weg gemacht hat. Die Stunden vergehen wie im Fluge und wir haben eine spitzen Zeit. Wir erzählen Witze und Geschichten und sind vollkommen überrascht, als ein Wagen vor uns von der Fahrspur auf den Standstreifen wechselt und ein Mann eilig beginnt unseren Reifen zu wechseln. Innerhalb von nur 10 Minuten ist der neue Reifen fest mit dem Auto verbunden und als sich nach 3 Stunden Wartezeit ein einsamer Polizist zu uns gesellt und uns berichtet, dass es ihm nicht möglich war früher zu kommen, obwohl ein vorbeifahrendes Auto ihn schon vor Stunden verständigte, wollten wir nur noch zurück auf die Straße und endlich unsere Reise zu Ende bringen.

Ohio. Nördlich von Cleveland befindet sich eine der größten Amischen Gemeinden und genau hier befinden wir uns nun. Nach einem Tag auf der Straße haben wir unser Ziel erreicht. Midfield ist auch als Mittelfeld bekannt und die hier lebenden Amischen sprechen einen alten deutschen Dialekt, der dem deutschen Ohr sofort auffällt und verdächtig vertraut klingt, auch wenn der Sinn der gesprochenen Worte nicht sofort zu erfassen ist.
Hier in Midfield und Cleveland verbringen wir Thanks Giving und einige Tage der Sorglosigkeit bevor wir in Mississippi wieder mit dem Ernst des Lebens konfrontiert werden. Die Finals, wie man die Klausuren am Ende des Semesters in den USA nennt, stehen uns ins Haus und bald dreht sich der Kopf nur noch um Klausuren und Bücher. Der Blog wird bis Weihnachten warten müssen...

2 Kommentare:

  1. hossa! hoffe ihr hattet dann viel spaß mit dem amischdeutsch. guten rutsch und gutes lernen!

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  2. So kann man auch während einer Panne Spaß haben. Man muss nur das Gute daran sehen, grübeln und fluchten bringt einen nicht weiter. Allerdings Gute Laune schon.

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